Pressebericht der NRZ
Pressebericht der NRZ Ausstellung „Die unerkannte Frucht“ 26.06.2015 | 10:00 Uhr Von Gabi Gies Die mit den Farben tanzt. Wenn Ulrike Int-Veen den Frühling malt, wird der Betrachter eben nicht
Ich möchte heute meiner Einführung in die Ausstellung ANS LICHT… mit neuen Arbeiten von Ulrike Int-Veen ein Zitat der Grafikerin Barbara Grosse aus dem Jahr 2018 voranstellen: „Da geht’s ja im Grunde um Freiheit. Dass man sich von dem, was man immer als Pflicht im Alltag hat, und die hat halt jeder, mehr oder weniger, dass man da ein Ventil hat, um Dinge in einer Form darzustellen, die nur von einem selbst gemacht werden kann und abhängig ist. Natürlich gibt es Abhängigkeiten vom Material und so weiter… Aber am Ende geht es um die Freiheit.“
Um diese Art von Freiheit geht es auch in den Bildern der Dinslakener Künstlerin. Es ist eine Freiheit zu etwas, das heißt etwas selbstbestimmt zu tun. Der Begriff der Freiheit ist hier nicht zu verwechseln mit den Begriffen der Beliebigkeit und der Willkür. Es ist eine Freiheit, die uns allen offen steht. Und trotzdem fußt sie bei Ulrike Int-Veen auf bestimmten Voraussetzungen.
Die sind zum einen formaler Art. Das heißt, auch diese freien Setzungen des Pinsels und der Ölkreide verlangen auf der einen Seite der Vorbereitung und auf der anderen der bewussten Entscheidung. Die Vorbereitung bedeutet hier, dass Ulrike Int-Veen selber ihre Keilrahmen zusammensetzt, bespannt und den Stoff anschließend mit einem speziellen Kreidegrund grundiert. Der Malgrund ist so gestaltet, dass er mit den teils sehr flüssigen Farben gut harmoniert. Ulrike Int-Veen greift also bewusst nicht auf vorgefertigte Produkte zurück, sondern hat sich ein eigenes Repertoire an Materialien entwickelt. Das umfasst auch die Farben, die sie aus Pigmenten und Acrylbinder zusammenmischt. Für die Arbeiten, die hier unter dem Titel ANS LICHT… versammelt sind, kommen noch die Partikel von Meeresbodensediment hinzu, die ihr Sohn von einer wissenschaftlichen Exkursion in der Tiefsee mitgebracht hat. Doch dazu später.
In einem nächsten Schritt entwickelt die Künstlerin Ulrike Int-Veen eine Komposition aus Flächen und Linien, die sehr unterschiedliche Gewichtung annehmen kann. Stets erzeugt sie jedoch aus dieser Kombination von zeichnerischen und malerischen Elementen eine Spannung auf der Bildoberfläche. Urike Int-Veen hat ihre eigene Bildsprache über Jahre entwickelt und diese immer wieder modifiziert. Wenn sie also mit der Arbeit an einem neuen Bild beginnt, so tut sie das auf der Grundlage ihrer Erfahrungen und gleichzeitig auch immer wieder mit neuen Ansätzen und Ideen. So sind es unterschiedliche Materialien, die bei der Malerin zusätzlich zum Einsatz kommen. War es vor ein paar Jahren Kohlenstaub, der zudem noch eine regionale Bedeutung hatte, ist es in den aktuellen Arbeiten Schlamm vom Meeresboden der Tiefsee.
Was zeichnet die Tiefsee aus? Zum einen, dass sie noch weitestgehend unerforscht ist. Zum anderen dringt kein Licht in diese Region. In der Dunkelheit existieren keine Pflanzen und kaum Tiere. Letztere sind in der Regel auch nicht farbig. Manche von ihnen haben eine eigene Lichtquelle, sogenannte Anglerfische. Das Sediment vom Meeresboden, das ich im Atelier von Ulrike Int-Veen unvermischt betrachten konnte, hat ein warmes, sehr dunkles Graubraun, das mal mehr, mal weniger auch Grünteile hat.
Die Idee, die sich auch hinter dem Titel ANS LICHT… verbirgt, ist es, diesen Schlamm aus der Tiefsee in unsere lichtdurchflutete Atmosphäre zu bringen, ihn erstmals dem Licht auszusetzen.
Schnell wurde offenbar, dass Bilder ausschließlich mit diesen dunklen Pigmenten zu sehr dem Naturell von Ulrike Int-Veen widersprachen. So hat sie sich dazu entschieden, diese nicht sehr farbenfrohen und dumpfen Partikel auf der Bildfläche mit leuchtenden Farben zu konfrontieren. Das heißt, kleine Mengen Meeresboden sind flankiert und umspült von leuchtenden Flächen in warmen Orangetönen, transparenten Fliederfarben, lichten Blau- und Grüntönen. Manchmal leuchtete uns auch eine zarte hellrosa Fläche entgegen. Überhaupt ist der Aspekt des Lichtes und des Leuchtens zentral im Werk von Ulrike Int-Veen. Um das Leuchten noch intensiver gestalten zu können, arbeitet sie in manchen Bildern mit ausgewiesenen Leuchtpigmenten. Diese Pigmente sind in der Lage mehr Licht abzustrahlen als sie empfangen, sie sind daher quasi ein Gegenspieler zu den lichtschluckenden Lichtpartikeln. Ein solches leuchtendes Bild findet sich zu Beginn der Ausstellung im Flur. Hier dominieren die rechteckigen, übereinandergeschichteten sich in der Bildmitte verdichtenden Flächen in strahlendem Pink, Rotorange und Abstufungen von Hellgrün, Blau und Rosa.
Immer ist aber auch viel Weiß im Spiel, sei es als Untergrund, sei es als Beimischung, um Farben aufzuhellen oder als eigene Setzung auf der Fläche. Auch Schwarz ist häufig anzutreffen, aber sparsamer und eher als Linie oder Struktur. Es gibt aber auch Bilder, die sich ausschließlich in dem Spektrum von Weiß und Braunschwarz bewegen (zwei dieser Bilder hängen hier an der Wand). Hier verwendet die Künstlerin als Ergänzung Asphalt-Graphit, das aufgrund der Mischung mit Terpentinöl zum Effekt des Abperlens von Farbe führt. Ulrike Int-Veen schätzt diesen besonderen Farbton des Asphalts, ein warmabschattiertes Braunschwarz.
Nun stellt sich die Frage nach dem Bildmotiv. Oder sie stellt sich eben nicht, weil das Malen selbst, die Farbe und die Struktur die offensichtlichen Themen sind. Das bedeutet nicht, dass nicht auch Beobachtungen und Seherlebnisse von Licht- und Landschaftssituationen miteinfließen in die Entscheidungen während des Malprozesses. Und manchmal mögen sich auch beim Betrachter solche Assoziationen einstellen, aber diese sind nicht primäre angestrebt.
Es sind die Beziehungen der Flächen, die Interaktionen der Farben und die Bezeichnung durch die Linien, die ihre jeweiligen Aussagen selber generieren. Diese Form der Malerei hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere in Europa unter dem Namen des Informel etabliert. Auch damals schon galt diese Form der Malerei als Befreiung. Als Befreiung von der restriktiven Kunstauffassung im Dritten Reich.
Zudem ist das, was Ulrike Int-Veen uns ab heute hier in dem lichtdurchfluteten Ausstellungsraum des Koenraad-Bosman-Museum zeigt, geeignet eine große Freude beim Betrachter, bei der Betrachterein zu erzeugen. An der Gruppe der Bilder, die den Titel ANS LICHT::: tragen, arbeitet Ulrike Int-Veen seit 2020. An der Stirnwand hängen, rechts das erste Bild dieser Serie und links das letzte. Mit ihrer farbintensiven Malerei erzeugt Ulrike Int-Veen eine eigene Welt, in die wir eingeladen sind, einzutauchen ohne dabei auf das Licht verzichten zu müssen.
Pressebericht der NRZ Ausstellung „Die unerkannte Frucht“ 26.06.2015 | 10:00 Uhr Von Gabi Gies Die mit den Farben tanzt. Wenn Ulrike Int-Veen den Frühling malt, wird der Betrachter eben nicht
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